Ganz entspannt im Hier und Jetzt feiert 30. Geburtstag

Interview mit dem Autor Jörg Andrees Elten/ Satyananda

Avinasho: Andrees, dein Buch "Ganz entspannt im Hier und Jetzt" wird 30 Jahre alt. Grund zum Feiern?

Andrees/ Satyananda: Aber klar! Dieses Buch war ja vom ersten Augenblick an ein Wunderkind. Kaum hatte es seinen ersten Schrei ausgestoßen, erregte es überall Aufsehen und Unruhe. Rudolf Augstein, der Herausgeber des "Spiegel", rief persönlich bei Ledig-Rowohlt an und besorgte sich das Abdrucksrecht für das Kapitel, in dem es um die minutiöse Schilderung der Encounter Gruppe geht. Das fand er total faszinierend, denn hier entluden junge Menschen die aufgestaute Wahnsinnsenergie einer kaputten Welt - hemmungslos, furchtlos und geradezu unheimlich Und obendrein waren sie auch noch nackt. Ein gefundenes Fressen für die Medien.

Das Buch war also ein Skandal?

So ist es! Der Rowohlt-Verlag witterte einen potenziellen Bestseller und blies mächtig ins Werbehorn. Es gab Talkshows im Fernsehen, öffentliche Lesungen und jede Menge Interviews.

So werden Bestseller gemacht. Aber nicht alle Bestseller bringen Tausende von jungen Leuten dazu, ihren Rucksack zu packen und nach Indien zu reisen. Wie erklärst du dir das?

Die Wirkung des Buches hat mich selber überrascht. Bisher hatte ich ja im wesentlichen Reportagen für die Süddeutsche Zeitung und den Stern geschrieben. Das hat Spaß gemacht. Ich bin in der Welt herumgekommen, hatte Erfolg, wurde gut bezahlt. Aber als mein 50ster Geburtstag näher rückte, wurde mir bewusst, dass meine Reportagen letztlich nicht viel bewegten, so gerne sie auch gelesen wurden. Ich informierte meine Leser intelligent und unterhaltsam. Aber ich wusste schon vor meiner Begegnung mit Osho, der sich damals Bhagwan nannte, dass ich bei mir selber anfangen musste, wenn ich die Welt ein bisschen positiv verändern wollte. Und auch das war klar: Veränderung kommt nicht durch intellektuelle Anstrengung zustande. "Ganz entspannt im Hier und Jetzt" entstand aus der Intelligenz des Herzens.

Was bedeutete das konkret?

Ich habe das  Buch mit Blut, Schweiß und Tränen geschrieben. Das hat die Leser im Herzen getroffen und sie emotional bewegt. Tausende machten sich auf den Weg, um Osho zu begegnen. Viele haben ihr Leben verändert.

Erklärt das auch, dass „Ganz entspannt im Hier und Jetzt“ zum zeitlosen Kultbuch wurde?

Ja, das ist der eine Grund. Der andere ist natürlich Osho. Ich präsentierte der Öffentlichkeit einen spirituellen Meister, der im Bewusstsein der Menschen einschlug wie eine Bombe. In meinem Buch wird Osho ausführlich zitiert. Diese Zitate sind der wichtigste Teil des Buches. Und je mehr Zeit verrinnt, desto stärker wird ihre Wirkung. Das erklärt auch, warum Ganz entspannt im Hier und Jetzt auch noch nach 30 Jahren immer neue Leser findet. Fast jede Woche bekomme ich E-Mails von Menschen, die mir erzählen, wie  Ganz entspannt im Hier und Jetzt ihnen geholfen hat, ihr Leben anders zu leben – weniger Ehrgeiz mehr Freude, weniger Angst mehr Vertrauen und so weiter und so fort. Viele fragen mich, welche Osho-Bücher ich empfehlen kann. Viele wollen wissen, ob es sich nach Osho…˜s Tod noch lohnt, nach Pune zu reisen.

Was rätst du ihnen?

Ich sage ihnen, dass ich bei meinem letzten Besuch im Resort das Gefühl hatte, Osho säße immer noch in seinem Zimmer und amüsiere sich über unsere kleinen Ego-Nummern. Es spielt ja auch wirklich keine Rolle, ob Osho in seinem Körper ist oder nicht. Ein Meister bleibt auch nach seinem Tod präsent. Er ist immer auf Sendung. Wenn man sich mit ihm verbinden will, braucht man nur auf seine Wellenlänge zu gehen und auf Empfang zu schalten. Ganz wie in alten Zeiten ist der Aschram auch heute noch sein Buddhafeld.

Und welches Osho-Buch empfiehlst du?

Kein bestimmtes. Ich sage: „Geh in den Buchladen und greife zum ersten Osho-Buch, das dir unter die Finger kommt. Es wird das richtige für dich sein.“ Bei mir war das  übrigens „Tantra – The Supreme Understanding“.  Mein erster Augenöffner.

Du bist ja 1977 erst mal als Reporter in den Aschram gekommen. Reporter sind Menschen, die schon am Anfang ihrer Karriere lernen, dass sie nicht mitmachen, sondern beobachten sollen. Sie sollen den kritischen Abstand wahren, damit sie objektiv berichten können.

Ja, so bin ich auch immer an meine Storys herangegangen. Ich war der perfekte distanzierte Beobachter. Nur keine Gefühle zulassen oder gar zeigen. So habe ich es leider auch in meinem Privatleben gehalten – sehr zum Entsetzen mancher wunderbarer Frauen. Heute vermute ich, dass ich Journalist geworden bin, weil ich mich nicht einlassen wollte oder konnte.

Aber in Poona hat das offenbar nicht geklappt. Wie bist du denn damit zurecht gekommen?

Es war ein Hammer. Als ich zum ersten Mal in den Aschram kam, wurde ich von einer Flutwelle von Gefühlen überschwemmt. Ich war verzaubert und erschreckt zugleich. Die vielen schönen und offenen Menschen, die tropische Farbenpracht der Aschram-Gärten, das schrille Gezwitscher bunter fremdartiger Vögel, die Affenherde, die über das Wellblechdach der Meditationshalle tobte, die Musik der Meditationen und die Stille, die in das Getöse einer dynamischen indischen Großstadt eingebettet war! All das berührte mich merkwürdig intensiv, so als ob meine Sinne in der Aschram-Atmosphäre schärfer reagierten. Und dann die Begegnung mit Osho, als er lautlos wie ein fallendes Blatt in einem frisch gebügelten weißen Nylonkleid  das Auditorium betrat, um seinen morgendlichen Vortrag zu halten! Am Tag vorher hatten mir seine Leute schon viel von ihm erzählt – auch manches, was mich eher kritisch auf ihn eingestimmt hatte. Aber als er jetzt mit aneinander gelegten Händen vor mir stand und freundlich lächelte, empfand ich eine Vertrautheit mit ihm, die meinen Verstand geradezu schockierte. Instinktiv ging ich auf Abstand. Für einen Augenblick hatte ich die Fassung verloren, aber dann meldete sich der „objektive“ Reporter zum Dienst und nahm den Guru kühl unter die Lupe. Seinen Vortrag fand ich brilliant. Das wurde mir auch von meinem Verstand bestätigt. Aber ich wurde den Verdacht nicht los, dass der Mann sich über die ganze Welt, speziell aber über mich, lustig machte.

Wie kam das denn?

Nun ja, zum Beispiel hatte mir Laxmi, seine Sekretärin, gesagt, dass es den Meister eigentlich gar nicht gäbe. Wörtlich hörte sich das so an: „Bhagwan does not exist.“  Andererseits hatte sie mir erzählt, dass Osho den ganzen Tag in seinem Zimmer säße – bei einer für tropische Verhältnisse arktischen Raumtemperatur von 17 Grad Celsius. An die frische Luft ginge er nur zwei Mal im Jahr, wenn er sich im Garten seines Hauses den Fotografen zu Foto-Terminen zu stellt. Für den Stern-Fotografen Jay Ullal würde er jedenfalls keine Ausnahme machen. Der nächste Foto-Termin sei in drei Monaten. Und auch ein Exklusiv-Interview mit mir käme nicht infrage. An sowas war ich  nicht gewöhnt. Wenn ich als Stern-Reporter irgendwo auftauchte, öffneten sich gewöhnlich die Türen und alle waren scharf darauf, von mir interviewt zu werden. Nur Osho nicht. Wieso eigentlich? Wollte er sich interessant machen? Ich war sauer. Plötzlich erschien mir die überschwängliche Verehrung, die er sich von seinen Jüngern gefallen ließ, als abstoßende „Anhimmelungskultur“. Wieso ging sie ihm nicht auf die Nerven? War er ein Scharlatan? Ein Größenwahnsinniger? Ein genialer Verrückter? Oder einfach ein Eulenspiegel, der uns alle zum Narren hält? Mein Mind arbeitete auf Hochtouren. In mein Tagebuch trug ich damals den denkwürdigen Satz ein: “Hier geht es nicht nur um eine Reportage. Hier geht es um Leben und Tod!“

Deine Kollegen haben später gesagt, du seist auf Osho hereingefallen.

Na klar. Was sollen sie denn sonst sagen?

Aber du hast doch Osho auch kritisch unter die Lupe genommen.

Andrees (lacht): Ja, aber mit dem Ergebnis, dass ich nach 14 Tagen Sannyas genommen habe! Das hat meine Kollegen stark verunsichert. Um keinen Preis wollten sie meinem Beispiel folgen. Also mussten sie mich praktisch für verrückt erklären. Ich nehme es ihnen nicht übel.

Konntest du denn als Sanyassin überhaupt noch journalistisch funktionieren?

Nun ja, immerhin habe ich 1977 eine Reportage für den Stern über Osho und den Ashram von Poona zu Stande gebracht. Es war der erste und auch der letzte positive Artikel, der im Stern über Osho erschienen ist. Als ich Osho begegnete, sprang mein Unterbewusstsein auf ihn an. Der spirituelle Sucher in mir hatte seinen Meister gefunden. Bewusst habe ich das zunächst gar nicht wahrgenommen.

Dein Unterbewusstsein hat schneller reagiert als der Verstand?

Ja, schneller und realistischer. Während ich im Aschram herum recherchierte, lief in meinem Unterbewusstsein ein ganz anderer Film. Dort passierte das, worum es eigentlich ging:  die Fortsetzung einer uralten Meister-Schüler Beziehung. Als ich mit Osho zum ersten Mal sprach, empfing er mich mit den Worten: "Hier bist du ja endlich. Ich habe gewartet und gewartet. Ich erkenne meine Leute, wenn sie zu mir kommen." Wie bitte? Ich hatte keine Ahnung, was er meinte. Während ich mir den Kopf darüber zerbrach, wie ich die Osho-Story für den Stern in den Griff bekommen konnte, waren die Würfel längst gefallen: Mein Leben als Journalist war beendet. Mein Leben als Meditierer hatte begonnen. Ein Jahr später hängte ich meine Karriere an den Nagel, gab meinen Dienstwagen in der Stern-Garage ab und kehrte nach Poona zurück – für immer. So glaubte ich damals jedenfalls.

Kamst du mit dem Vorsatz nach Poona, ein Buch über Osho und seinen Ashram zu schreiben?

Ja, das dachte ich jedenfalls. Osho hatte mich eingeladen und ich fand, dass es höchste Zeit war, über diesen unglaublich interessanten Mann und sein Kommune-Experiment ein Buch zu schreiben. Osho war einverstanden. Also zog ich in den Ashram ein und notierte jeden Tag meine Eindrücke und Gedanken in mein Tagebuch. Aber auch hier spielten sich die Dinge wieder auf zwei Ebenen ab. Auf der bewussten Ebene saß Swami Satyananda und bildete sich ein, dass er an einem sehr wichtigen Buch arbeitete. Im Unterbewusstsein lief der andere Film: der Ex-Reporter Satyananda brauchte die Arbeit an dem Buch, um sein Verhältnis zu Osho zu klären. Er musste offenbar noch vielfältige Zweifel abarbeiten, bevor er sich Osho ohne Wenn und Aber anvertrauen konnte. Außerdem fühlte sich der Ex-Reporter gar nicht wohl als Mitglied einer kleinen, missverstandenen Minderheit. Er träumte davon, Hunderttausende von Lesern für Osho zu begeistern. Er wollte nicht Außenseiter sein, sondern Vorreiter einer dynamischen spirituellen Bewegung. 

Welche Zweifel haben dich vor allem geplagt?

Ich erschrak manchmal darüber, was ich getan hatte. War es vernünftig gewesen, alle Brücken hinter mir abzubrechen? Was sollte nun bloß aus mir werden? Und was, wenn sich plötzlich doch herausstellen sollte, dass Osho …. Aber den Gedanken wollte ich gar nicht zu Ende denken. Es war klar, dass ich mich in einem spirituellen Durchlauferhitzer befand und die Kontrolle verloren hatte. Das machte mir Angst. Und ich fand auch die Einsicht erschreckend, dass ich mich von meinem Verstand verabschieden musste, um mein Buch über Osho und seinen Aschram zu schreiben. Ich konnte nicht auf dem Zaun sitzen und den Beobachter spielen. Ich musste mich total einbringen. Vor mir tat sich ein Abgrund auf.

Dein psychischer Zustand hat sich ja in deinem Buch sehr deutlich niedergeschlagen.

Richtig. Dabei war das eigentlich gar nicht meine Absicht. Ich saß jeden Tag irgendwo im Aschram in einem Korbsessel und schrieb so vor mich hin. Oft kam es mir so vor, als ob mein Kugelschreiber gar nicht von mir bewegt wurde, sondern sich von selber bewegte. Die Worte formten sich nicht in meinem Kopf. Sie regneten sozusagen an meinem Kopf vorbei aufs Papier. Ich schrieb und schrieb und manchmal fragte mich irgendeiner, der mich beim Schreiben beobachtet hatte: „Mann, was schreibst du denn da alles?“ Und ich sagte: „Keine Ahnung!“

Hast du vielleicht gechannelt?

Es war eher so, dass ich einfach aufschrieb, was mich bewegte. Dazu musste ich nicht viel überlegen. Das Schreiben war keine Arbeit, sondern eher eine Erleichterung.

Das muss ja ein paradiesischer Zustand gewesen sein!

Andrees (lacht): Manchmal ging es auch durch die Hölle. Schließlich befand ich mich ja wie alle anderen Aschram-Bewohner in einer Egozertrümmerungsanlage, die unentwegt in Betrieb war. Als mir mal bei der Reinschrift des Tagebuchs das Schreibmaschinenpapier ausging und ich die Leiterin der Presseabteilung fragte, ob sie mir mit ein paar Blatt aushelfen könnte, sagte sie: „Dein Buch ist dein Ego-Trip, Satyananda. Wenn du Papier brauchst, kannst du in die Stadt fahren und dir welches kaufen!“ So war man sich im Aschram stets gegenseitig behilflich, das Ego abzubauen. Und es dauerte eine Weile, bis ich darüber lachen konnte.

Bist du bei dem Buchprojekt nicht unterstützt worden?

Kurz bevor ich mit der Reinschrift des Manuskripts fertig war, kam von Osho die Einladung, auf der Terrasse seines Hauses weiter zu arbeiten. Dort arbeiteten schon ein paar andere Sannyasins in feierlicher Stille. Es gab strenge Verhaltensregeln und es war tierisch heiß. Aber es war der schönste Arbeitsplatz meines Lebens. Eines Tages kam ein deutscher Swami und sagte, er habe von Osho den Auftrag bekommen, das Manuskript zu lesen und Bericht zu erstatten. Osho konnte ja kein deutsch. Ich gab dem Swami die ersten hundert Seiten. Am nächsten Tag kam er wieder und war total begeistert. Ich gab ihm die nächsten hundert Seiten. Er kehrte zurück und war entsetzt. „Das kann man unmöglich veröffentlichen“, stöhnte er.  Das sei ein durch und durch negatives Buch, voller Spott und destruktiver Kommentare. „Nun halt mal die Luft an“, schlug ich vor, „und lies das Manuskript zu Ende, bevor du Urteile fällst!“ Er verschwand also mit dem restlichen Drittel des Manuskripts. Zwei Stunden später rief mich Laxmi in ihr Büro und machte ein Gesicht, als sei der Aschram gerade von einem verheerenden Erdbeben erschüttert  worden. „Satyananda, ich höre, dass du ein negatives Buch über Bhagwan geschrieben hast“. –„Alles Quatsch!“ rief ich, „der Swami soll doch erst mal fertig lesen!“ Und sie sagte: „Er hat an Bhagwan geschrieben, dass dein Buch unmöglich ist. Wie ist denn der Titel? „Das kosmische Irrenhaus“, sagte ich und hatte das Gefühl, dass sie beinahe in Ohnmacht gefallen wäre. Die folgende Nacht tat ich kein Auge zu. Ich war fest entschlossen, das Buch so zu veröffentlichen, wie ich es geschrieben hatte. Noch nie hatte ich als Autor Zensur akzeptiert. „Wenn die das hier versuchen sollten, werde ich das Manuskript unter den Arm nehmen und mit dem nächsten Flieger nach Deutschland zurückkehren!“ Das war mein fester Entschluss. Meine Beziehung zu Osho stand auf Messers Schneide. Am nächsten Morgen rief mich Laxmi zu sich. Ich setzte mich vor ihren Schreibtisch und atmete tief durch. „Hier ist eine Nachricht von Osho“, sagte sie und las vor: „Negativität ist auch wichtig. Lasst Satyananda in Ruhe. Er weiß was er tut!“  Ich spürte, wie Tränen aufstiegen. „Er vertraut mir!“ dachte ich. „Wie wunderbar. Wir vertrauen uns gegenseitig!“ Und dann musste ich plötzlich lachen, als mir der Gedanke kam: “Wie gut, dass es wenigstens zwei intelligente Menschen in diesem Aschram gibt!“

(Das Interview erschien in der „Osho Times“, September 2009. Das Gespräch mit Andrees  Elten führte Ma Avinasho)

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