Instant Enlightenment

Wie der neueste Hit auf dem Erleuchtungsmarkt den Planeten retten will

„Shakti und ich sind gerade aus Indien zurückgekommen“, schrieb Swami Jack (Namen geändert) an seine Freunde in Kalifornien. „Dort haben wir den 21-Tage-Erleuchtungsprozess in der »Oneness University« gemacht. Wir hatten auch Darshan mit den Avataren Bhagavan und Amma, den Begründern der »Bewegung des Goldenen Zeitalters«. Unsere Erfahrung war so überwältigend, dass wir das Gefühl haben, wir müssen sie mit allen teilen.“

So geschah es denn auch. Die Herausgeber des kalifornischen „Viha“ Newsletters, der vor allem von älteren Sannyasins gelesen wird, schickten Bountys Erlebnisbericht per E-Mail rund um den Globus. Vor allem war von »Deeksha« die Rede. Laut Bounty handelt es sich dabei um einen „Transfer göttlicher Energie, der durch Handauflegen auf den Kopf zustande kommt. Der Energietransfer löst eine neurobiologische Veränderung im Gehirn aus, die zur Erleuchtung führt.“

Deeksha kann jeder geben, der an dem „Erleuchtungsprozess“ teilgenommen hat. „Mit das beste daran ist“, schreibt Bounty, „dass man sich nicht anstrengen muss und dass es nicht zeitaufwendig ist. Es geht ganz schnell. Wer in den 21 Tagen nicht erleuchtet wird, dem verspricht Sri Bhagavan die Erleuchtung innerhalb von zwei bis drei Wochen. Tausende sind auf diese Weise in den letzten Jahren erleuchtet worden.“

Die beiden Avatare – ( Avatar = „von Gott gesandt“) – der 56 jährige Inder Bhagavan und seine 51-jährige Partnerin Amma, berechnen für ihren Erleuchtungskurs ein Honorar von 6500 US Dollar (5400 Euro). Offenbar betrachten Tausende von spirituellen Suchern das als eine gute Kapitalsanlage, denn, so sagt Swami Bounty: „Erleuchtung kann nur durch göttliche Gnade kommen oder von jemandem, der weiß, wie man sie auf andere überträgt.“ Mit anderen Worten: wer den Erleuchtungskurs absolviert hat, kann nun selber Deeksha geben und damit seinen Lebensunterhalt bestreiten oder doch wenigstens sein Einkommen aufbessern. Bounty und seine Partnerin sind schon auf World-Tour und geben Deeksha in 2-tägigen Wochenend-Workshops für 200 Dollar pro Person.

Als ich das las, musste ich an das sogenannte „Flugzeugspiel“ denken, das sich vor fast 20 Jahren in Kalifornien wie ein Buschbrand ausbreitete. Ich schlug mich damals in Santa Barbara mit Gelegenheitsjobs durch und schrieb ein Buch über meine Erfahrungen dabei, als eine Frau auftauchte, die den schmeichelhaften Spitznamen „Kräuterhexe“ trug. Mit orkanhafter Begeisterung trommelte sie alle Sannyasins in der Gegend zu einem Info-Abend zusammen, um ihnen mitzuteilen, dass das „Zeitalter des Überflusses“ angebrochen sei – jedenfalls für diejenigen, die sich am Flugzeugspiel beteiligten.

Die Spielregeln sind einfach: mit 1500 Dollar Cash steigt man ins „Flugzeug“ ein. Die ersten beiden nehmen im Cockpit Platz, die anderen in den Reihen dahinter. Wenn die Maschine voll ist, kassieren die beiden im Cockpit je 25.000 Dollar und machen ihre Plätze für die nächsten beiden Einsteiger frei. „Ich habe in drei Wochen schon 75.000 Dollar gemacht!“ verkündete die Kräuterhexe stolz, öffnete die Tür zum nächsten Flieger und nahm im Cockpit Platz. „Hat Osho sich nicht den »Guru der Reichen« genannt?“ erinnerte sie uns mit verklärtem Blick. „Hat er nicht den Überfluss als spirituelles Wachstumspotential gepriesen?“

Wenn ich hier was gewinnen wollte, musste ich sofort einsteigen – so viel war klar. Aber 1500 Dollar hatte ich damals nicht, und als ich schließlich eine Partnerin fand, die sich mit mir einen Sitz teilen wollte, waren zehn Minuten vergangen und bereits 15 Plätze vergeben.

In der Nacht konnte ich nicht schlafen, denn ich begriff, dass ich meine Freunde und Bekannten dazu bringen musste, sich am Tanz um das Goldene Kalb zu beteiligen, wenn ich meine Gewinnchance wahrnehmen wollte. Denn wenn hinten niemand einstieg, gab es keine Bewegung mehr Richtung Cockpit und das Spiel war aus. Wer an Bord war, musste anderen todsichere Gewinnchancen vorgaukeln, damit der eigene Einsatz nicht verloren ging. Dabei war sonnenklar, dass die Gewinnchancen der Späteinsteiger immer fragwürdiger wurden, denn der Pool der Mitmacher war nicht unerschöpflich.

Unweigerlich musste das Flugzeugspiel die Beziehungen zwischen Freunden vergiften. Irgendwann würde der Ball zum Stillstand kommen. Nur die ersten Einsteiger hatten eine Chance. Die Kräuterhexe zum Beispiel, die durch die Gegend reiste und ein Flugzeug nach dem anderen aufmachte.

Am nächsten Morgen rief ich meine Spiel-Partnerin an und sagte ihr, dass ich aussteigen wollte. Sie konnte es nicht fassen. Das Flugzeug  hatte sich rasch gefüllt und wir waren schon auf Position 8 vorgerückt. Aber ich wollte nur noch eins: Raus! Meine Partnerin fand schnell einen neuen Partner und kassierte schon am Nachmittag 12.500 Dollar. Ich habe keine einzige Sekunde bereut, dass mir diese Beute entgangen ist.

Beim Flugzeugspiel geht es ums schnelle Geld. Bei »Deeksha« geht es um die schnelle Erleuchtung. Auch hier sind diejenigen im Vorteil, die als erste einsteigen, bevor sich herumspricht, dass die Erleuchtung schließlich doch nicht so einfach zu haben ist. Aber wie kommt es überhaupt, dass wir glauben, die Erleuchtung könnte uns von irgendwem oder durch irgendeinen Trick im mühelosen Eilverfahren serviert werden? Liegt es vielleicht daran, dass wir gehofft hatten, Osho würde uns zur Erleuchtung bringen? Viele haben ihn so verstanden, dass er die Arbeit macht, während sie zu seinen Füßen sitzen und vertrauen. Und manche waren richtig sauer, als er seinen Körper verließ und sie unerleuchtet sitzen ließ. Sie haben vielleicht mit Osho einen Geschmack von Erleuchtung bekommen. Sie sehnen sich nach Ganzheit und Erfüllung und nach Hilfe. Vielleicht gibt es andere Gurus, die sie aus ihrer Not befreien können?

Momentan sind Bhagavan und Amma ganz oben auf der Hitliste. In ihrer Werbung nennen sie ihren 21-tägigen Erleuchtungsprozess  einen „Segen für alle Sucher aus dem Westen“. Mächtige Faktoren wirken hier zusammen – die „göttliche Präsenz“ der beiden Avatare , ihr »Deeksha« (Handauflegen auf den Kopf des Suchers) und so genannte »Havans«, alte vedische Feuer- Rituale, die – laut Werbung – „eine heilige Atmosphäre schaffen“.

Sowohl die »Deekshas« als auch die »Havans« kann man sich allerdings auch über das Internetportal der „Global University“ besorgen. Wenn man sich dort anmeldet, kann man für 50 Dollar an einem Telefon-Deeksha teilnehmen, der von Sri Raniji, einer Schülerin von Amma und Bhagavan, per Konferenzschaltung für Teilnehmer aus aller Welt verabreicht wird. In der Werbung dazu heißt es:  „Leute, die an Telefon-Deekshas teilgenommen haben, erhielten kräftige Energien von Amma und Bhagavan, wodurch ihr Leben nachhaltig positiv verändert wurde.“

Was die »Havans« anbetrifft, so heißt es auf der entsprechenden Webseite: „Wir unterziehen uns der noblen Aufgabe, Ihnen ein Havan hier auf dem heiligen Boden unserer Goldenen Stadt auszurichten – ein Havan Ihrer Wahl und gemäß Ihrer Probleme und Bedürfnisse. Wir liefern das Ergebnis direkt an Ihrer Haustüre ab. Bevor ihr Havan beginnt, werden wir mit Ihnen in Verbindung treten und am Ende werden wir Ihnen ein Yantra schicken – ein mit entsprechender Energie aufgeladenes Mandala. Sie können das Yantra rahmen lassen und zu Hause oder in Ihrem Büro aufhängen. Zeit, Raum und Entfernung sollten Sie nicht davon abhalten, sich von Ihren Problemen und Ihrem Leid zu befreien.“

Im Angebot sind u. a. Havans für „Gesundheit und langes Leben“, für „Wohlstand und Gesundheit“, für „Erfolg in Schule und Beruf“ oder einfach nur für „Sieg“. Preis: 20.000 Rupies = 475 Euro. Man kann natürlich mit Kreditkarte zahlen.

Erleuchtung hin oder her – eines ist sicher: der Internet-Auftritt der Erleuchtungs-Provider Amma und Bhagavan ist technisch auf einem Niveau, das sich durchaus mit dem von E-Bay oder Amazon.com messen kann. Was den Inhalt anbetrifft, so erinnert er an einen Musikdampfer, der mit plärrenden Lautsprechern die seichten Gewässer einer paradiesischen Wunderwelt durchkreuzt. Auf allen Decks ist rund um die Uhr spirituelles Entertainment angesagt. Kobolde aller Art führen den Passagieren ihre Kunststücke vor – Instant Enlightenment, Fernheilungen, Regengüsse in Dürregebieten, Manifestationsrituale für Reichtum und Glück, Wohlfühlmusik, Zeitreisen durch alle Inkarnationen und vieles, vieles mehr. Das alles läuft unter dem Label „Rettung der Welt.“

Amma und Bhagavans Jünger wollen das Bewusstseins-Niveau der ganzen Menschheit anheben und  den Planeten in ein „glückliches Heim für alle Menschen verwandeln, ein Heim, in dem das Leben in all seinen Formen geachtet wird.“

Die Aktion „Global Oneness Commitment“ läuft schon seit „dem doppelten Venus Transit am 8. Juni 2004“ und wird mit dem „zweiten Transit am 6. Juni 2012 enden.“  Bis dahin wollen Amma und Bhagavan mindestens 64.000 Menschen zur Erleuchtung gebracht haben.

Als Gautam Buddha von einem seiner Schüler gefragt wurde „Was ist Erleuchtung?“ antwortete er: „Erleuchtung existiert nur in den Köpfen der Unerleuchteten“. Aber das nur nebenbei.

Copyright © Jörg Andrees Elten