Der Zauberer und die Schafe

Der russisch-armenische Sufi-Mystiker George Gurdjieff erzählte seinen Schülern gerne die Geschichte von dem Zauberer, der eine große Schafherde besaß. Oft kam es vor, dass einige Schafe aus der Herde ausbrachen, und wenn es Nacht wurde, hatte der Zauberer große Mühe, sie einzufangen und in den Stall zu treiben. Aber manche Schafe verirrten sich im Wald und wurden nachts von wilden Tieren gefressen.

Schließlich kam dem Zauberer die Idee, seine magischen Kräfte einzusetzen und seine Schafe zu hypnotisieren. Einigen Schafen suggerierte er, dass sie in Wahrheit keine Schafe, sondern Löwen sind. Anderen suggerierte er, dass sie Tiger sind. Wieder anderen suggerierte er, dass sie Menschen sind. Und allen Schafen redete er ein, dass sie groß und stark sind und dass sie sich deshalb vor niemandem und vor nichts fürchten müssen. Deshalb könnten sie getrost abends in den Stall gehen. Vor allem versicherte er seinen hypnotisierten Schafen: „Auf keinen Fall werdet ihr geschlachtet, denn ihr seid ja keine Schafe…“

Von dem Tag an ging dem Zauberer kein einziges Schaf mehr verloren. Die Schafe benahmen sich merkwürdig – sie fingen an, wie Löwen zu brüllen, räkelten sich wie Tiger und stolzierten umher wie Menschen. Und kurz vor Einbruch der Dunkelheit kehrten alle Schafe freiwillig in den Stall zurück.

Der Zauberer war sehr froh darüber, und jeden Tag schlachtete ein Schaf oder mehrere und verkaufte das Fleisch an den Händler.